DENGLISCH fürs " Joggen" - DEUTSCH für die Oper?
Notizen eines deutschen Gastes zum Symposium "Sprache,
Kultur ... und die mehrsprachige Schweiz" des Sprachkreises Deutsch,
Bern am 9. November 2000.
Nicht nur als Bodenseeanrainer- am Schweizer Ufer ein
Anstösser - und einer der aus seinem Fenster in die Schweiz und auf ihren
prächtigen Säntis schaut, auch nicht nur der freundschaftlichen Verbundenheit
über das Netzwerk Deutsche Sprache wegen, sondern auch aus Neugier war ich
nach Bern zu diesem gelungenen Symposium des Sprachkreises Deutsch gekommen.
Wollte ich mir doch Aufschluss darüber verschaffen, wie
ernst die Hiobsbotschaften zu nehmen seien, die Deutschschweiz sei nicht
nur auf dem Weg in die Anglo-Amerkanisierung, sondern auch auf dem in die
"Hollandisierung". Ein alarmierender Bericht in der Neuen Zürcher
Zeitung "Am Ende bleibt jeder was er ist" vom 25. Okt. hatte uns
aufgescheucht und die Befürchtung geweckt, dass die Deutschschweiz der
deutschen Sprachgemeinschaft als Bastion verloren gehen könnte. Zuvor hatte
uns schon die Kampagne für das Auswechseln von Französisch als zweiter
Landessprache in der Deutschschweiz und von Deutsch in der Westschweiz durch
Englisch beunruhigt. Beides würden wir als einen schweren Rückschlag für die
Bedeutung unserer gemeinsamen (Hoch-)Sprache in Europa und der Welt betrachten.
Schließlich erhoffen wir uns doch weiterhin so bedeutende Beiträge zur
deutschen Literatur wie die von Dürrenmatt, Frisch, Keller und Meyer.
Doch zu meiner großen Überraschung huschte das Gespenst der
"Hollandisierung" nur gegen Ende der Veranstaltung flüchtig durch
den Raum, und keiner der Anwesenden zollte ihm große Beachtung, der eloquente
Moderator Stephan Klapproth hatte wenig Mühe, es sogleich zu verscheuchen.
Die zweite Überraschung für mich war die, dass ich wider alle
Erwartung so gut wie alle Beiträge verstehen konnte. Überrascht deshalb, weil
mir als Zugereistem in der "Euregion Bodensee" (den die Oberschwaben
dort einen "Neigeschmeckten" nennen ) die alemannische Spielart
unserer Sprache immer noch Rätsel aufgibt. Sollte man sich wegen nur dreier
Gäste aus dem Nachbarland soviel Zwang angetan haben, die gemeinsame Hochsprache
zu bemühen? Meine Nachfrage wurde bei der anschließenden Stehparty mit einem
charmanten Schmunzeln beantwortet.
Oder sollte der Dr. Döbeli mit seinem Fazit, das er aus einer
großangelegten Studie für den Sprachkreis Deutsch gezogen hatte, tatsächlich
recht haben, dass sich zwei Sprachen nebeneinander etablieren, nämlich die eine
für den "Jogginganzug", durchsetzt mit Amerikanismen - und die andere
für das gehobene Ambiente, mit Schlips und Kragen, in gepflegtem (Hoch-)Deutsch
- die eine fürs Internet und die Disco, die andere fürs gute Buch und die Oper?
Und war eben dieser Diskussionsabend "Oper"?
Die Perspektive zweier Parallelsprachen wurde allerdings mit
Unbehagen und Skepsis aufgenommen, es wurde von Dr. Hensel geltend gemacht, dass
sich in dem Kauderenglisch eines solchen Joggingjargons keine Geschichte erzählen
lasse, dass aber die Struktur der deutschen Sprache, oder der von Dieter E. Zimmer
so bezeichnete Tiefencode, Schaden nehme, dass sie ihre Assimilationsfähigkeit
und ihre Kreativität einbüße, was schließlich den Tod jeder Sprache bedeute.
Auch wurde der These des Dr. Döbeli widersprochen, dass die
Werbewirtschaft nicht der Sündenbock sei, als der sie gemeinhin dargestellt werde,
sie folge nur "reaktiv" der allgemeinen Sprachentwicklung. Dem wurde die
These entgegengestellt, dass die Werbewirtschaft ein willfähriger Erfüllungsgehilfe
der globalen Ökonomie sei, die weltweit eine einheitliche Konsumsprache für
kostensparende einheitliche Produktbezeichnungen und Produktbeschreibung
durchsetzen wolle, dass freilich ein Rückkopplungseffekt zu verzeichnen sei,
nach dem alten Muster "Was war zuerst, die Henne oder das Ei?"
Meine Besorgnis um die vermeintliche "Hollandisierung"
der Deutschschweiz wurde zwar an dem Abend nicht zerstreut, auch nicht verstärkt -
eher war sie in den Hintergrund geraten. Wie dem auch sei, die deutschen Gäste
hatten sich unter Freunden gefühlt und waren beeindruckt von der Diskussionskultur
bei dieser gelungenen Veranstaltung.
Gerhard H. Junker, Friedrichshafen Verein Deutsche Sprache e.V.
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